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Nach nahezu tödlicher Krankheit auf olympischen Medaillenkurs – Giro Teamrider Torin Yater-Wallace

Vor zwei Jahren erkrankte Torin Yater-Wallace an einer mysteriösen Krankheit, die ihm fast das Leben kostete. Jetzt ist er auf Medaillenkurs!

Während den 10 Tagen der Krankheit, die Torin Yater-Wallace am Tod kratzen ließen, hatte er wiederkehrende Träume, die er immer noch nicht erklären kann. In einem flog er in einem Flugzeug, auf einer Bare festgebunden, in 10 unterschiedliche Staaten, umgeben von Ärzten. In einem anderen Traum sah sich Torin selbst in einem Kühlwagon verstaut, um seine Körpertemperatur zu kontrollieren. Seine Träume waren verrückt.

Giro Teamrider Torin Yater-Wallace ist einer der besten Freeskier dieses Planeten und wachte eines Morgens Ende 2015 auf und fühlte sich krank. Doch er jammerte nicht und ging einfach Skifahren. Ein paar Tage später wurde er mit dem Hubschrauber ins Universitätsklinikum in Utah geflogen, wurde dort ins künstliche Koma versetzt. Seine Lungenflügel waren mit Flüssigkeit gefüllt und seine Leber war von einem Abszess angegriffen. Die Krankheit stellte sich als ein sehr seltener, bakterieller Infekt heraus, der bei mehreren Untersuchungen nicht gefunden wurde. An einem Punkt der Krankheit sagten die Ärzte zu seiner Mutter und seiner Freundin, dass sie der Familie Flüge nach Utah buchen sollten, für den Fall der Fälle, dass Torin die Krankheit nicht überlebt.

credit: Adam Moran
credit: Adam Moran

Torin sieht den Zwischenfall, der ihn nahezu umbrachte, mittlerweile als ein nur kleiner, weiterer Stolperstein auf dem Weg zu seinen zweiten Olympischen Spielen. Die Monate bevor er seinen Karrieredurchbruch hatte, musste er auf Couches bei seinen Freunden schlafen, da die Trickgeschäfte seines Vaters aufflogen. Vor den Spielen in Sochi 2014 stach sein Physiotherapeut bei einer Routinebehandlung aus Versehen ein Loch in seine Lunge. Sein Weg war also schon immer steinig.

Torin Yater-Wallace ist ein Kämpfer und wird von seiner Freundin Sarah Hendrickson, Medaillenhoffnung der USA im Skispringen, tatkräftig unterstützt. Sie schlief 5 Nächte neben ihm, als er im Koma lag. Mittlerweile erzählt er von seinen Nahtoderfahrungen in einer Ruhe, die man nur haben kann, wenn man sich sonst über fette Booter schmeißt und die höchsten Airs in der Superpipe macht.

Seit seiner Jugend ist Yater-Wallace unter Gleichaltrigen der vielleicht am meisten gehypte Freeskier der Welt. Seine Trainerin Elena Chase nennt ihn sogar eine Ikone des Freeskiings. Torin fährt mit einer besonderen Aggression und Anmut Ski, die sogar seine Konkurrenz zum Staunen bringt.

Sein guter Freund Aaron Blunck hat für Torin ebenfalls nur positive Worte übrig: „Er ist einer der besten Contestskifahrer da draussen. Er kann den ganzen Tag seine Runs verkacken, doch wenn es darauf ankommt ist er zu 100% da und zieht seinen Run durch. Es macht Spaß ihm zu zu schauen, wenn er in die Pipe droppt, über Kicker springt, oder im Powder unterwegs ist. Er ist mein favorite Freeskier. Er ist einfach ein Contestskifahrer in seinem Herzen. Wenn er nicht am Berg ist, merkt man das nicht, doch wenn er am Berg ist, sieht man seinen Ehrgeiz in seinen Augen.“

Selbst für die Leute, die dem Giro Teamrider am nächsten stehen, sind die 10 Tage im künstlichen Koma ein Hauch von Surrealismus. Er hatte bereits Hürden gemeistert, an denen andere Freeskier zerbrochen wären. Und nun hat es den Profi, der in seiner Jugend ein Podium nach dem anderen einfuhr, wieder getroffen.

Torin Yater-Wallace in Zermatt
Torin Yater-Wallace in Zermatt

Der Berg war seine Kirche

Mit 14 nahm Torin an den USASA Nationals teil. Er war der jüngste Fahrer in beiden Disziplinen (Halfpipe und Slopestyle), doch konnte beide für sich entscheiden. Mit dem Preisgeld von 2000 € half er seiner Mutter die Miete zu bezahlen.

Das erste Jahrzehnt seines Lebens verbrachte Yater-Wallace im wohlhabenden Aspen, Colorado. Sein Vater, Ron Wallace, betrieb einen erfolgreichen Weinhandel, in dem er seltene und gute Weine verkaufte, die noch garnicht abgefüllt waren. Er wurde als Experte der Industrie angesehen, kaufte einen BMW und gehörte zu einem wohlhabenden Country Club. In den frühen 2000er kam dann ans Tageslicht, dass die Kunden bereits bezahlten Wein nicht mehr erhielten. Ron Wallace bereicherte sich stattdessen selbst und erbrachte die versprochenen Leistungen nicht. In Jahre 2005 wurde Torin’s Vater dann verurteilt, es standen sogar 70 Jahre Haft im Raum, die er aber vermeiden konnte. Er wurde dann zu einer Geldstrafe von 11 Millionen Dollar verurteilt und endete im Bankrott. Dies hatte eine Haftstrafe von 9 Monaten und 27 Monate auf Bewährung zur Folge. Er hat immer noch Schulden von über 20 Millionen Dollar gegenüber seinen Gläubigern.

Seine Mutter Stace tat alles, um Torin zu beschützen, doch das Geld war knapp. Die Familie musste oft umziehen und lebte aus dem Koffer. Die Preisgelder des jungen Torins wurden dazu verwendet, um über die Runden zu kommen.

„Der Berg war seine Kirche.“, sagte Chase, die Torin seit seinem 8. Lebensjahr kannte. Torin schätzte das Skifahren immer, egal ob die Bedingungen gut oder schlecht waren. Während seinem Leben bekam er in Form von Rückschlägen auch immer wieder Reminder, das Skifahren zu lieben und zu schätzen. Wenn er Skifahren war und ist, ist die Welt in Ordnung.

Im Jahr 2011 machte Torin Yater-Wallace dann mit der Silber-Medaille bei den X Games in Aspen auf sich aufmerksam. Zu dieser Zeit war er gerade einmal 15 Jahre alt. Diese machte ihn automatisch auch zu einem Medaillenanwärter bei den Olympischen Spielen in Sochi.

Torin Yater-Wallace’s Weg war und blieb steinig. Ende 2013 unterzog sich Torin einer Routine-Behandlung, die seine Rückenprobleme in den Griff bekommen sollte. Der ausführende Therapeut stach eine Akkupunktur Nadel zu tief ein. Torin merkte bis zum nächsten Tag nichts, realisierte das Problem erst, als er Probleme hatte während dem Training in Copper zu Atmen. Er ging ins Krankenhaus und merkte dort erst, was passiert war.

„Komplett verrückt.“, sagte Torin. „Hätte ich es nicht zu den Olympischen Spielen geschafft, hätte das einen rechtlichen Prozess nach sich gezogen.“

Im ersten Qualifikationsevent für die Spiele stürzte Torin, brach sich zwei Rippen und seine Lunge kollabierte wieder. Die Verletzung hinderte ihn, an den anderen Events teilzunehmen. „Ich sah alle Leute, wie sie versuchten, sich für die Spiele zu qualifizieren und wusste, dass die Chancen extrem hoch waren, dass ich nicht nach Sochi fahren werde.“, sagte er.

Die Trainer gaben dann Torin Yater-Wallace aber den vierten Platz im Team. Eine ungewöhnliche Wahl, denn Torin’s letzter Contest lag fast ein Jahr zurück. Weit von seiner Topform entfernt wurde Torin nur 26.

Zumindest war er nach den Spielen wieder richtig gesund und setzte seinen Fokus nun auf die restliche Saison, die X Games und auf die Olympischen Spiele in 4 Jahren in Pyeongchang. Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, welche Krankheit auf ihn wartete.

credit: Ethan Stone
credit: Ethan Stone

Das schlimmste, was man sich vorstellen kann

Eines Tages im November 2015 wachte Torin Yater-Wallace auf und dachte, er hätte eine Grippe. Doch er ging Skifahren, wie immer. Als er wieder heimkam hatte er Schüttelfrost und Gliederschmerzen. Dann fuhr er nach Utah, da er ein neues Paar Skischuhe brauchte. Die gesamte Fahrt ging es ihm dreckig. In Park City diagnostiziertem ihm die Ärzte eine Grippe. In vier Tagen ging Torin drei mal in die Notaufnahme, seine Körpertemperatur stieg stetig an.

Torin’s Mitbewohner und seine Freundin Sarah Hendrickson waren nicht da, doch Sarah rief ihren Manger an, der nach Yater-Wallace schauen sollte. Er besuchte Torin und kochte ihm Suppe. Er spürte das etwas falsch war.

Um 1 Uhr nachts rief Torin Hendrickson’s Manager Spencer an und sagte, dass er ins Krankenhaus muss, er könne kaum noch atmen.

Spencer beeilte sich und brachte ihn ins Krankenhaus von Park City. Torin hatte Schmerzen und eine Körpertemperatur von 40 Grad. Die Ärzte machten Tests und flogen ihn anschließend sofort in das University of Utah Krankenhaus.

„Angsteinflößend. Ich war in meinem gesamten Leben noch nie so krank. Ich hoffe, dass niemand so etwas erleben muss.“, sagte Yater-Wallace

Als er in Salt Lake City landete, merkten die Ärzte, dass er etwas viel ernsteres als nur eine Grippe hatte. Er hatte die Krankheit Streptococcus anginosus. Kaum einer ist von der Krankheit betroffen und die, die betroffen sind, sind meist über 40 Jahre alt. Zu diesem Zeitpunkt war Torin gerade einmal 19. Die Ärzte hatten so etwas noch nie gesehen.

Es bildete sich eine Abszess in seiner Leber, was dazu führte, dass seine Lungenflügel mit Flüssigkeit geflutet wurden. Seine Gallenblase entzündete sich und ließ seine Organe anschwellen. Nur vier Tage nachdem er sich das erste mal krank fühlte versetzten ihn die Ärzte ins künstliche Koma.

„Ihn im Krankenhausbett fast sterben zu sehen ist so ziemlich das schlimmste, was man sich vorstellen kann.“, sagte seine Freundin. „Die Aussage der Krankenschwester, die sagt, dass man seine Schwester und seinen Vater anrufen solle, da es nicht sicher ist, ob er es schafft, ist ziemlich brutal.“

Torin kann sich nicht an diese 10 Tage erinnern, außer an seine komischen Träume. Als er aufwachte, fühlte er sich ängstlich, dann hatte er Durst. Er wurde 10 Tage künstlich ernährt, verlor gute 11 Kilo.

„Ich dachte nicht mal ans Skifahren, als ich aufwachte. Ich war einfach nur verwirrt. Ich war in einer anderen Welt, realisierte nicht, was geschehen war.“, sagte Torin Yater-Wallace.

Die Genesung dauerte lange. Er musste das Laufen neu lernen. Sein Körper gewöhnte sich nur langsam wieder an das richtige Essen. Als ihn die Ärzte aus dem Krankenhaus entließen, saß er neben seiner Freundin auf der Couch, die sich selbst von einer Knieverletzung erholte.

„Er ist die fürsorglichste, netteste und positivste Person in meinem Umfeld. Ich fühle mich so, also ob ich der negative Pol der Beziehung bin. Er feuert mich immer an, egal was mit ihm passiert, er lässt seinen Kopf nicht hängen.“, sagte Sarah Hendrickson.

credit: Adam Moran
credit: Adam Moran

Die Ärzte bestanden darauf, dass Torin eine ordentliche Reha machte. Doch seitdem er das Krankenhaus verließ, hatte er nur einen Gedanken: Er will Skifahren gehen. Das Freeskiing war schon immer die Sache, die ihm in schwierigen Situationen half.

„Torin fährt mit viel Gefühl Ski. Er macht nicht einen Trick, weil er mit diesem Trick gewinnen könnte, sondern weil er den Trick fühlt. Skifahren ist für ihn eine Art loszulassen.“, sagte Spencer.

Das erste mal nach seiner Krankheit stand Torin in Lake Sydney wieder auf den Ski. Er fuhr ganz allein und hatte noch medizinische Geräte und Kanülen an und in seinem Körper, die ihn unterstützen.

Er fühlte sich immer besser und besser und arbeitete hart an seiner Rehabilitation. Torin entschied sich dann, dass er an den Euro X Games teilnehmen will, welche Anfang 2016 stattfanden, nur zwei Monate nach seinen Qualen. Die Ärzte stellten ihn vor die Wahl, er könne sich entweder die Gallenblase operativ entfernen lassen und die X Games verpassen, oder sich die Kanüle zur Gallenblase entfernen lassen und in Oslo antreten.

Das Ganze hatte allerdings einen Haken: Die Chance, dass er sich durch das Entfernen der Kanüle wieder infiziert lag bei 60 %. Sollte dies eintreten, würde die Tortur von Neuem beginnen.

Doch er wollte einfach Skifahren und seine Freundin verstand das. Sie versteht den Zusammenhang zwischen Risiko, Konsequenzen und Erfolg. Als Spencer damals zusammen mit Torin ins Krankenhaus flog, war er verunsichert, denn er verlor dort bereits einen Freund nach einem tragischen Skiunfall. Giro Teamrider Torin lebt nunmal einen Traum, der gefährlich ist.

Er ließ die Kanüle entfernen und die Galle verteilte sich so, wie es sich die Ärzte vorstellten. Er reiste nach Europa und nur zwei Monate nachdem er nahezu gestorben wäre, nahm er an den X Games in Oslo teil und gewann die Gold Medaille.

„Manchmal ist es schwierig die Dinge zu verstehen. Zuerst stirbt er fast und dann gewinnt er einen der größten Contests der ganzen Saison!“, sagte seine Coachin Chase.

Für nahezu jeden sind die Geschehnisse lebensbestimmend, so auch für den mittlerweile 22-jährigen Torin Yater-Wallace. Noch im Januar wird eine Dokumentation über ihn veröffentlicht, doch Torin mag lieber in die Zukunft blicken, als sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen, denn diese hätte auch so viel anders verlaufen können. Was wäre, wenn sein Vater ehrlich gewesen wäre, was wäre passiert, wenn er dem Manager seiner Freundin, Spencer, nur eine SMS gesendet und nicht angerufen hätte?

Dieses Jahr muss Torin auf den Podiums landen, um an den Olympischen Spielen teilnehmen zu können. Deshalb will er versuchen seine Runs in der Pipe nochmal zu verbessern. Er will so gut fahren, wie er kann, will die Resultate aber nicht erzwingen. Sachen zu hinterfragen hat er schon lange aufgehört. Sein Leben lernte ihm das Skifahren und alles was er hat sehr zu schätzen.

credit: Adam Moran
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