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Fabiano Monti Im Interview: Die Sicherheit im Schnee

Die gezielte Vermarktung von Backcountry Wintersport ist für viele alpine Regionen eine wichtige Strategie für den Tourismus. Diese Orte sind allerdings mit der Herausforderung konfrontiert, das Bewusstsein der Wintersportler für die Lawinengefahr zu sensibilisieren, damit Unfälle vermieden werden können.

Fabiano Monti, Walter Steinkogler und Christoph Mitterer, Michael Lehning und Andrea Pozzi, sind Wissenschaftler am WSL in Davos und an der Universität Insubria, Italien. Außerdem arbeiten sie zusammen in ihrem Start-Up Unternehmen ALPsolut, das moderne, wissenschaftliche Produkte für Profis und die breite Öffentlichkeit entwickelt. Um das Problem der Sensibilisierung für die Lawinengefahr in Angriff zu nehmen, haben sie unter anderem das „Livigno Freeride Projekt” initiiert.

Ziel diese Projektes ist es einerseits das Backcountry für alle möglichen Aktivitäten zu öffnen, gleichzeitig aber das Risikomanagement in punkto Lawinen zu verbessern.

Wir haben mit Fabiano Monti über die Umsetzung des Projekts, über die weitere Planung und über seine Tipps für einen Ausflug ins Backcountry gesprochen.

Fabiano, Du bist einer der wenigen Wissenschaftler für Schnee und Lawinensicherheit. Wie bist Du dazu gekommen Lawinensicherheitsexperte zu werden? Was motiviert Dich dazu dieses Thema weiter mit neuen Ideen zu pushen?
Ich frage mich selbst ziemlich oft, wie das passiert ist… und ich kann es gar nicht genau sagen. Nach der Schule wollte ich eigentlich nur Skifahren und Snowboarden. Deshalb bin ich nach Sondrio gezogen, das näher an den Bergen liegt als mein Heimatort. Dort habe ich in einem Sportladen gearbeitet, bin die ganze Zeit Ski gefahren und habe nebenher an der Universität Wirtschaftswissenschaften studiert…. Das ging ein paar Jahre ganz gut, aber nach vielen Skitagen und wenig Klausuren an der Uni musste ich mir darüber Gedanken machen, was ich mit meinem Leben anfangen möchte. Da es ziemlich unwahrscheinlich war, ein professioneller Snowboarder zu werden, habe ich die Universität gewechselt und nach anderen Entschuldigungen gesucht, in den Bergen zu sein… Andererseits erzählt mir meine Mutter ständig, dass ich schon als Kind vom Schnee fasziniert war… Wahrscheinlich war es ein ganz natürlicher Weg.

Wissenschaftliche Arbeiten sind manchmal ziemlich weit von einer Praxistauglichkeit entfernt.

Als ich mich in der Lawinenwissenschaft wieder fand, stellte ich fest, dass der Wissenstransfer zwischen Lehre und Praxis nicht befriedigend war. Deshalb wollte ich gerne dabei helfen, diesen Wissenstransfer zu verbessern. Wissenschaftliche Arbeiten sind manchmal ziemlich weit von einer Praxistauglichkeit entfernt. Oft können Theoretiker aber dabei helfen, Leben zu schützen. Das motiviert mich immer wieder auf Neue.

Du hast das “Livigno Freeride Projekt” initiiert, um das Backcountry für alle möglichen Wintersportarten zu öffnen, gleichzeitig aber das Risikomanagement in punkto Lawinen zu verbessern. Welche Methoden hast Du angewandt/wendest Du an, um dieses Ziel zu erreichen?
Besonders in Italien macht das Problem der Eigenverantwortlichkeit das Backcountry-Management ziemlich schwierig. Deshalb sind die erlaubten Off-Piste-Aktivitäten häufig limitiert. Die Idee hinter unserem Projekt ist einfach: Wir stellen die bestmöglichen Informationen über die Schneestabilität zur Verfügung und erklären den Leuten, wie man diese Informationen interpretiert und nutzt. Dann ist jeder für seine Entscheidungen verantwortlich und kann selbst entscheiden, ob er rausgeht oder nicht. Wenn sich jemand damit unsicher fühlt, sollte er immer mit einem professionellen Bergführer ins Gelände gehen.

Das Projekt wurde immer komplexer, weil wir feststellten, dass es eine ganze Menge Bereiche gibt, die durch eine bessere Einschätzung der Lawinengefahr optimiert werden können – z.B. das Risikomanagement von Straßen, Heliskiing, Umweltschutz, Schulung und Kommunikation. Daher versuchen wir alle Bereiche in unser Projekt zu integrieren. 

Was sind bisher Eure größten Erfolge?
Unser erstes Ziel war es, das Off-Piste-Skifahren in dem Gebiet rund um Livigno für alle Backcountry-Fans zu öffnen. Bis zur letzten Saison war das Skifahren im Gelände nicht erlaubt – eine große Chance für unser Projekt. Außerdem haben wir sehr gutes Feedback bekommen, sowohl von Profis als auch von unseren Kunden. Im letzten Winter kamen dann sehr viel mehr Freerider nach Livigno. Das war wirklich cool. Andererseits waren unsere Lines natürlich ausgefahrener als in den Jahren zuvor. Aber es ist genug Platz für Alle da.20130907_aclark_chile-63

Was habt Ihr für die kommende Saison geplant?
Im nächsten Winter wollen wir das Marketing für unser Projekt verbessern: Wir werden große Bildschirme im Skigebiet und im Ort installieren, auf denen wir alle wichtigen Informationen darstellen können. Wir arbeiten an einer App für’s Backcountry und an einer Freeride-Karte, die das Gelände in Abhängigkeit der Lawinengefährdung klassifiziert.

Außerdem wollen wir ein Event organisieren: das Livigno Freeride Festival. Es gibt also eine ganze Menge Ideen.

Was sind die wichtigsten Punkte, an die Du denkst, bevor Du auf Tour gehst?
Für mich ist immer noch die klassische Herangehensweise am sinnvollsten: Wie sind die Schnee- und Wetterbedingungen? Wohin – in welches Gelände – willst du gehen? Mit wem und in welchem Zustand wirst du unterwegs sein? Man muss immer alle drei Faktoren berücksichtigen. Deine Sicherheit verändert sich, wenn sich einer dieser Faktoren ändert. Es macht zum Beispiel einen riesigen Unterschied, ob du in angemessener Verfassung auf einen schwierigen Berg steigst oder mit einem Kater. Es tut mit leid, aber da habe ich keine wissenschaftlichen Tipps auf Lager.

 

Was kannst du einem Backcountry-Neuling empfehlen?
Mittlerweile kann man im Internet wirklich alles finden. Natürlich sollte man Foren und unprofessionelle Seiten auslassen. Wenn ich mich für eine Seite entscheiden muss, dann empfehle ich whiterisk.ch. Dort gibt es Informationen zu Schnee, Sicherheit, Rettung und Tourenplanung. Ich kann jedem – auch Profis – raten, ein bisschen mit dieser Seite herumzuspielen.

 

Sobald sich einer dieser Faktoren ändert, musst du die Sicherheit neu abschätzen.

Wie kann man das Risiko auf Tour minimieren?
Wie schon gesagt, würde ich mich an die klassische Herangehensweise halten: Checke immer die drei Variablen (Verhältnisse, Gelände, menschlicher Faktor), bevor du losziehst. Sobald sich einer dieser Faktoren ändert, musst du die Sicherheit neu abschätzen. Ein weiterer Tipp ist, flexibel zu bleiben und die Pläne, wenn nötig, zu ändern. Damit meine ich nicht nur, bei schlechten Bedingungen umzudrehen, sondern auch größere Projekte in Angriff zu nehmen, wenn die Verhältnisse besser sind als erwartet. Man sollte niemals mit einer fixen Idee von zu Hause starten, sondern immer mehrere Möglichkeiten im Kopf haben ­– um dass zu tun, was in der aktuellen Situation das Beste ist.

Wie verhält man sich am Besten, wenn eine Lawine ausgelöst wird/wurde?
Es ist immer dasselbe: Man sollte versuchen an der Oberfläche der Lawine zu bleiben. Diejenigen, die es schon mal „versucht“ haben, wissen, dass es nicht leicht ist. Deshalb würde ich mich stärker darauf konzentrieren, gar nicht erst in eine Lawine hineinzugeraten. Zumindest sollte man das Gefahrenpotential und die Konsequenzen eines Lawinenabgangs regelmäßig neu beurteilen. Es macht einen ziemlichen Unterschied, ob ein heikler Hang an einem Cliff endet oder in sanftes, offenes Gelände übergeht. Die letztendliche Entscheidung, ob man den Hang fährt, kann in diesen beiden Fällen unterschiedlich ausfallen. Wir müssen also nicht nur die Wahrscheinlichkeit eines Lawinenabgangs abschätzen, sondern auch die potentiellen Konsequenzen.

Wir sind sicher, dass Du schon einmal in einer Lawine gesteckt hast. Wie hättest Du das vermeiden können?
Ja, ich bin zweimal in eine Lawine geraten und in beiden Fällen hätte ich es vermeiden können, indem ich mehr über die Situation nachgedacht hätte. Natürlich ist es hinterher immer einfacher die Situation zu bewerten als sie von vornherein zu vermeiden. Es ist ganz und gar nicht leicht, zu beurteilen, ob ein Hang sicher ist oder nicht – und man braucht dazu viel Erfahrung.

Gleichermassen ist auch die Anzahl der Unfälle angestiegen – aber nicht die der Lawinenopfer.

Was würdest Du an den aktuellen Entwicklungen in punkto Freeriden kritisieren? Verlassen sich die Leute zu sehr auf ihre Sicherheitsausrüstung? Gehen zu viele Skifahrer ins Gelände? Sind sie zu schlecht ausgebildet? 
Die Statistiken zeigen einen Trend zu einer steigenden Backcountry-Aktivität in den letzten 20 Jahren. Gleichermassen ist auch die Anzahl der Unfälle angestiegen – aber nicht die der Lawinenopfer. Das bedeutet, dass die neue Ausrüstung hilft – trotz aller Kontroversen über die heuristischen Fallen, die im Zusammenhang mit der neuen Ausrüstung stehen. Natürlich sollten wir mehr an der Ausbildung in punkto Lawinensicherheit arbeiten. Unser bestes Sicherheitsequipment – unser Gehirn – ist kostenlos und wir sollten lernen, es besser einzusetzen. Damit meine ich nicht nur ein fundierteres Wissen über Schnee, Rettung & Co., sondern eine stärkeres Sensibilisierung für das Gefahrenpotential der jeweiligen Backcountry-Aktivitäten. Sie sind alle mehr oder weniger gefährlich und es ist wichtig, sich über die Konsequenzen seiner Aktionen bewusst zu sein. Nur so können wir eine sinnvolle Entscheidung dafür oder dagegen treffen.

Was steht auf deiner Ausrüstungsliste, wenn Du ins Backcountry gehst?
Ich habe keine fixe Liste. Es kommt immer auf die Verhältnisse an. Schaufel, Sonde und LVS-Gerät sind aber keine Option – sie sind immer dabei!

Generell mag ich keine restriktiven Regeln am Berg. Ich denke es ist wichtiger, dass wir mehr über unsere Aktionen NACHDENKEN und die Verantwortung dafür übernehmen.

Die Lawinensicherheitsausrüstung hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt. Was war für Dich die grösste Innovation?
Das ist schwer zu sagen. Ich denke, dass viele kleine Schritte in die richtige Richtung den Unterschied gemacht haben. Die neuen 3-Antennen-Geräte machen die Verschüttetensuche sehr viel einfacher – besonders, wenn man unter Stress steht und/oder nicht so erfahren ist. Außerdem sind Schaufeln und Sonden besser geworden. Auch die Airbags sind eine gute Sache – aber definitiv nicht die finale Lösung des Problems. Die Leute müssen besser verstehen, wie ein Airbag funktioniert.

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Black Diamond bringt diesen Winter seine neue Jet Force Technologie auf den Markt. Wie schätzt Du die Bedeutung dieses Produkts ein?
Ich wurde einmal am Flughafen in Calgary wegen der Gaskartuschen in meinem Handgepäck aufgehalten – und habe deshalb fast meinen Anschlussflug verpasst. Jet-force hat das Potential dieses Problem zu lösen. Ein zusätzlicher Vorteil ist, dass man den Airbag mehrmals auslösen kann – wobei ich hoffe, dass nicht viele Leute in die Situation geraten, den Airbag erneut zu aktivieren. Den Airbag einmal pro Abfahrt auslösen zu müssen sollte genügen… Dennoch bietet diese Möglichkeit perfekte Vorraussetzung für ein Training mit dem Airbag. So können sich die Nutzer mit dem System vertraut machen – und im Notfall den Airbag intuitiv auslösen. Zusätzlich bieten die Jet-Force Rucksäcke noch ein paar gute Features und ich freue mich darauf, sie in der kommenden Saison zu testen.

Black Diamond unterstützt im Rahmen ihrer Snow Saftey Initiativen das „Livigno Freeride Projekt“. Hast du ein Lieblingswinterprodukt von Eurem Partner?
Ich bin schon im letzten Winter die Convert Carbon Ski gefahren. Sie sind super: leicht, unkompliziert und auch bei harten Schneeverhältnissen zu kontrollieren. Ein perfekter Tourenski, wenn es Powder gibt.

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