Bitte stell dich doch erst einmal kurz vor, damit wir wissen, mit wem wir es hier eigentlich zu tun haben.
Hallo, ich bin Leslie Carr, die stolze Mutter von Julian Carr.
Wie ging das bei Julian mit dem Freeskiing los?
Ich selbst fahre schon ewig Ski. Julian war früher mehr in Basketball und Hallenfußball involviert. Trotzdem fragte ich ihn, ob er in den Winterferien nicht mal mit nach Brighton auf den Berg fahren wollte. Mit 14 willigte er endlich ein, also besorgte ich ihm ein komplettes Snowboard-Set-up. Bevor es losgehen konnte, sollte er jedoch Unterricht in der Snowboardschule nehmen. Bevor dies geschah, fuhr er aber schon mit ein paar Freunden nach Brighton. Ich kam am frühen Nachmittag nach, doch da war es be- reits zu spät. Am Lift hing eine Notiz für mich: „Leslie Carr, bitte holen Sie Ihren Sohn in der Notaufnahme ab.“ Da war klar, dass er natürlich nicht den Unterricht abgewartet hatte, sondern direkt loslegen wollte. Das Ergebnis war ein gebrochenes Bein. Auf Snowboarden hatte Julian dann erst mal keine Lust mehr. Einige Jahre später fing er dann mit Skifahren an.
Hatte Julian sofort deine volle Unterstützung?
Mehr als das: Ich selbst habe ihm höchstpersönlich das Skifahren beigebracht! Bremsen, Kurvenfahren und Stürzen, das waren die drei fundamentalen Dinge, die ich ihm zuerst zeigte.
Wann war dir klar, dass Julian Talent hat und es im Freeski-Zirkus schaffen könnte?
Julian war direkt Feuer und Flamme für den Sport und sprang direkt Kicker mit seinen Buddies, die schon ihr ganzes Leben lang auf den Brettern standen. Er brauchte nicht lange, um diesen Vorsprung aufzuholen. Da war mir klar, dass er außergewöhnliches Talent hat.
Dann beantwortet sich dieses Mal die Frage, ob Julian mit Rennlauf begonnen hat, ja von selbst.
Ja. Wie gesagt, Julian war früher eher mit Ballsportarten beschäftigt.
Ich muss sagen, das bringt unser Konzept hier etwas durcheinander… Machen wir halt mitfolgender Frage weiter: Hattest du generell andere Pläne für die Zukunft deines Sohns?
Mein Traum für Julian war es immer, dass er sein Leben genießen, ein guter Mensch sein und nach der goldenen Regel „Behandle andere Menschen so, wie du selbst behandelt werden willst“ leben sollte. Alles, was ich immer wollte, ist, dass er sein volles Potenzial ausschöpft. Bisher gelingt ihm das ganz gut.
Gab’s also keinen Grund, in der Schulzeit mal härter durchzugreifen? Wie hast du das gehalten: erst die Hausaufgaben und dann auf den Berg oder war dir das egal?
Julian hatte nie Probleme in der Schule, wes- halb ich nie einen Grund hatte, wirklich streng zu sein.
Wie sieht es bei dir selbst mit dem Skifahren aus: Liegt das Talent in der Familie und wurde Julian in die Wiege gelegt?
Ich liebe Skifahren. Als ich ein Teenager war, zog ich nach Utah um, wo mich das Skifieber packte. Ich selbst war eine ziemlich wilde Fahrerin, die ganz locker mit all den Jungs mithalten konnte. Also denke ich schon, dass ich ihm etwas von meinem Talent mitgegeben habe.
Was sind deine größten Sorgen, wenn dein Sohn unterwegs ist?
Es gibt ein einschneidendes Erlebnis, das meine Ängste ganz gut beschreibt: Als Julian mit sei- nem Freund Billy Poole auf einem Film-Trip für Warren Miller unterwegs war, zog sich Julian eine schwere Knieverletzung zu und Billy verlor sogar sein Leben. Das war äußerst schlimm für mich, denn auch ich habe Billy geliebt. Als Mut- ter öffnet es einem natürlich die Augen und ich wusste, dass es auch ganz einfach Julian hätte erwischen können.
Und was war der gößte Schockmoment für dich, der Julian direkt betraf?
Ich bekam einen Anruf von den Liftbetrieben in Snowbird. Man informierte mich, dass Julian auf dem Weg ins Krankenhaus wäre und dort direkt notoperiert werden müsste. Ich war höl- lisch nervös, weil die Verletzung sehr ernst war, ein zertrümmerter Oberschenkel. Nach der Operation konnte Julian direkt entlassen werden und war direkt auf die Reha fokussiert. Die Ärzte nannten ihn ein Wunderkind, da bei ihm alles so schnell ging. Seitdem war er immer zu 100 Pro- zent fit und hat keine Folgen davongetragen.
Nun ist es üblich, dass die Rider immer wieder Edits von ihren Reisen ins Internet stellen. Gab es da mal irgendeine peinliche Situation, in der du deinen Sohn bewundern durftest?
Bei einem Europa-Trip tauchte einmal ein Foto auf, das ihn mit einem österreichischen Trach- tenhut zeigte. Er war in einer Bar und offensicht- lich angeschlagen. Zudem steckte ihm gerade ein hübsches Mädel ihre Zunge in den Hals. Sein Gesicht sieht auf dem Bild einfach zu komisch aus. Anscheinend hatte er eine gute Zeit in den Alpen…
Trotz aller Vorurteile gegenüber Freeski-Pros, welchen Pro würdest du optimale Schwieger- sohn-Qualitäten zuschreiben? Billy war großartig!
Was war das niedlichste Muttertagsgeschenk, das dir Julian jemals gemacht hat? Julian war der süßeste Junge, den man sich vorstellen kann. Er hat mir eine ganze Menge tolle Muttertagsgeschenke gemacht. Dazu gab es immer schöne, selbst gebastelte Karten. Ich war immer gespannt, seine herzergreifenden Zeilen zu lesen. Das schönste Geschenk war vielleicht versteinertes Holz, das er mir aus den argentinischen Anden mitbrachte.
Damit’s zum Ende noch mal richtig schön pein- lich wird, hier der Klassiker: Was war in diesem Zusammenhang der größte Fashion-Ausrut- scher von ihm?
Julian war relativ radikal mit seinen Hair-Styles. Zum Beispiel rasierten er und seine Freunde sich ganz gerne mal den Schädel in der Junior High School. In der High School dann ließ er sich die Haare wieder wachsen und bleichen. Auf dem College ließ er seinen Haaren sozusagen freien Lauf und jetzt trägt er sie bis zum Hintern. Mit seinen Haaren konnte er mich immer wieder überraschen. Erst letztens kam er mit einem „Neck Beard“ an. Trotzdem schafft er es immer, gut für die Ladys auszusehen. Vielleicht lag’s an den silbernen Converse.
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